169) Die Elchjagd 2023

Übersicht über bisherige Jagd-Artikel in unserem Blog: Beitrag 168

Wie auch letztes Jahr gab es in der Nacht vor der Jagd den ersten Frost. Morgens zeigte das Außenthermometer bei uns -4 Grad an, aber es war perfektes Jagdwetter: trocken und wolkenlos. Um 7 Uhr ist Treffpunkt an der Jagdhütte, die Anfahrt dorthin dauert nur fünf Minuten – wie auch das Kratzen der Autoscheiben.

Die Elchjagd-Essentials:

  • Hohe Gummistiefel und ein zweites Paar Skisocken
  • Arbeitshose (Haunter ist eine Firma aus Årjäng, der Link ist nicht affiliate) über die Merino-Leggins
  • Diverse Mützen, Schals, Handschuhe und Stirnbänder gegen Kälte und Elchfliegen
  • Messer, Tupperbox und Tüten, um falls möglich das Herz mitnehmen zu können
  • Getränke (Kaffee in der Thermoskanne, Proteinshake, Wasserflasche)
  • Snacks (Müsliriegel, Würste, Hotdog-Brote, Senf, Ketchup, Grillspieß)
  • Treiber-Ausrüstung: Warnweste und Kompass
  • Sitzunterlage für die Bänke um das Lagerfeuer herum
  • Die Axt links gehört nicht dazu, ist aber seit Beitrag 153 aus gutem Grund immer im Kofferraum

Alle treffen sich zunächst im Morgengrauen am Feuer, bald darauf ist Aufstellung vor der Schlachthütte und Begrüßung durch den Jagdleiter. Auf eine Schweigeminute für ein im letzten Jahr verstorbenes Mitglied des Vereins folgt die Erinnerung an die Regeln, beispielsweise an das Alkoholverbot. Unsere zugeteilte Quote besteht aus einem erwachsenen Tier und einem Kalb. Die Jagdvereine der Umgebung haben untereinander aber soweit ich verstehe freiwillig vereinbart, jeweils nur das ausgewachsene Tier zu schießen und kein gesundes Kalb zu erlegen, um den Bestand schneller zu vergrößern. Eine Ausnahme stellt ein in der Gegend gesehenes humpelndes Jungtier dar, dieses darf geschossen werden. Die zweite Ausnahme ist eine extrem abgemagerte Elchkuh, die man seit Wochen in der Umgebung immer wieder sichtet und die von Mal zu Mal schlechter und ungesünder aussieht. Bei ihr wird darauf hingewiesen, dass man ihr Fleisch nicht verteilen würde, sie nicht zur Quote hinzugezählt wird und sie außerdem wenn möglich nicht per Kopfschuss erlegt werden soll, um die Obduktion des Gehirns zu ermöglichen. Dann wird festgelegt, in welchem Teilbereich des Jagdgebietes wir beginnen. Die Jäger losen aus, wer darin an welchem per rotem Band markierten Platz sitzt, und ziehen los. Wir Treiber stellen unsere Kompasse korrekt ein, machen uns ebenfalls auf den Weg in den Wald entlang der Gebietsgrenze und alle ca. 150 Meter bleibt eine Person stehen. Die Reihenfolge ist abgesprochen und man weiß, wer links und wer rechts von einem ist. Dann wird gewartet…

Während der Wartezeit sucht man sich schonmal die beste Route auf den ersten Metern der Strecke, so weit man sehen kann, und hüpft mit eingefrorenen Zehen auf der Stelle herum. Kurzzeitig fragt man sich vielleicht irgendwann besorgt, ob man das Startkommando eventuell überhört hat, aber dann geht es auch schon los: Es ertönt das „Huuuuhu“ von links und das „Heeeejo“ von rechts, man ruft das eigene „Seeeervus“ dazu und stapft los, immer dem Kompasspfeil nach, egal ob da ein Fels, ein Bach, ein Dickicht, ein Abhang oder ein Wasserloch im Weg ist. Die Schwierigkeit in diesem Teilbereich bestand darin, dass es dort hohe Bodenwellen gibt und die Marschrichtung aber nicht parallel zu diesen, sondern leicht schräg verläuft. Man ist also dazu verleitet, der Einfachheit halber entweder in einem Tal oder auf einer Anhöhe zu bleiben, darf das aber nicht, sondern klettert beständig auf und ab. Die Abstände bleiben möglichst gleich und das Tempo ebenfalls, so dass sich die Treiber-Linie konstant auf die Jäger-Linie zubewegt. Hier ein Video von einer sumpfigen Stelle:

Es ist teilweise körperlich sehr anstrengend und auch mental manchmal herausfordernd, weil man ja weder zu schnell noch zu langsam, weder zu weit links noch rechts gehen will und die anderen Treiber aber in Senkungen phasenweise minutenlang gar nicht mehr hören kann. Schließlich kommt man bei einem der Jäger heraus, der sich an seinem Sitzplatz bemerkbar macht, und geht auf das Funk-Kommando hin gemeinsam zurück zur Hütte. Die erste Runde (ca. eineinhalb Stunden) war erfolglos. Alle sammeln sich an der Feuerstelle und machen kurz Pause, dann fahren die Jäger los zu ihren nächsten Sitzplätzen im zweiten Teilgebiet. Die Treiber dagegen haben dort einen kürzeren Weg zu den Startpunkten und etwas mehr Zeit, und während die Jäger schon durch den kalten Wald marschieren, gibt es für uns erstmal gemütlich Fika in der Sonne…

An den umliegenden Straßen weisen Schilder die Autofahrer darauf hin, dass sie momentan besonders vorsichtig sein und auf aufgescheuchtes Wild achten müssen. Nicht nur Elche, sondern auch Rotwild und andere Tiere laufen schließlich vor den rufenden Ruhestörern davon. Aber wie eine der anderen Treiberinnen (mit der ich die Kanelbulle und Lussekatter gebacken habe) sagt: Besser einmal im Jahr durch „Huhu“ aufgeschreckt und dann nach einem sonst komplett freien Leben erschossen werden, als mit hunderten Artgenossen zusammengepfercht hinter Gittern vor sich hin vegetieren und halbherzig am Fließband getötet werden, ohne jemals den blauen Himmel gesehen zu haben.

In ungefähr diesen Abständen stellen die Treiber sich auf

Auch die zweite Runde war erfolglos, man trifft sich wieder an der Hütte und macht Mittagessen – in den allermeisten Fällen die typischen gegrillten Würste mit Senf und Ketchup im Hotdog-Brot. Das schmeckt besonders gut, wenn man vorher den ganzen Vormittag im Wald unterwegs war.

Die dritte und letzte Runde des ersten Tages war ebenfalls ohne Jagderfolg, und so wird am späten Nachmittag vereinbart, dass es am folgenden Tag um 7 Uhr weitergeht. Durch den Frost gibt es glücklicherweise kaum noch Elchfliegen, und so halten sich auch die gefühlten Phantom-Elchfliegen abends nach dem Duschen in Grenzen.

Eiskristalle auf Pflanzen und Wasseroberflächen

Am Montag Morgen waren es wieder minus 4 Grad, die Kleiderordnung mit Zwiebeltechnik blieb also die selbe. Das Lagerfeuer in der Jagdhütte ist einladend und alle versammeln sich mit ihrem Kaffee in der Hand. Dann folgt wieder die gemeinsame Aufstellung und die Besprechung der ersten Runde. Da eine Kuh und das verletzte Kalb in einem bestimmten Gebiet gesichtet wurden, konzentrieren wir uns auf diesen Teilbereich. Die ca. zwanzig Jäger in ihrer orange-braun-dunkelgrünen Kleidung machen sich wieder auf den Weg zu ihren Sitzplätzen und die neun Treiber in reflektierendem neongelb studieren die Karte, legen die Himmelsrichtung fest (diesmal 312°, also Nord-West) und fahren ebenfalls los.

Die Karten der verschiedenen Teilbereiche des Jagdgebietes

Die jetzigen Startpunkte für die Aufstellung sind entlang der Landstraße, man sieht von dort aus weit über das Feld vor sich und auch die leuchtenden Warnwesten jeweils ca. 200 Meter links und rechts neben einem. Es ist eiskalt, die Zehen freieren ein, ich hüpfe herum und warte auf das Signal. Zwei Schüsse ertönen kurz nacheinander ganz in der Nähe, ein gutes Zeichen. Ich sehe den Hundeführer mit seiner zur Elchjagd ausgebildeten vierbeinigen Begleitung rechts von mir über das Feld in diese Richtung gehen. Wir Treiber bekommen den Auftrag mit dem Rufen zu beginnen, aber noch an Ort und Stelle zu bleiben. „Seeeeervus“… „Huuuhu…“

Schließlich kommt ein Anruf mit der Information, dass ein erwachsenes Tier erlegt wurde, man nun aber noch das lahmende Kalb finden möchte. Also sollen wir ganz langsam losmarschieren, da es sich selbst anscheinend auch schon nicht mehr allzu schnell fortbewegen kann. Das Gelände ist zunächst sehr gut begehbar, meine Strecke führt über das Feld und durch einen hügeligen Wald, dann kommen wir an der alten Eisenbahntrasse heraus und warten dort wie abgesprochen aufeinander, um die Abstände wenn nötig zu korrigieren und auf weitere Ansagen des Jagdleiters zu warten. Wir sollen fortsetzen. Das nächste Stück ist extrem anstrengend, es geht durch Felsen steil bergauf und bergab, überall wächst das besonders rutschige weiße Moos auf den Steinen. Man hört die anderen kaum noch, aber überall sind frische Elchspuren auf dem Boden. Schließlich komme ich ziemlich K.O. bei einem der Treffpunkte heraus, an dem schon drei andere Treiber zusammen warten. Per Funk kommt bald darauf die Mitteilung, dass wir zur Hütte zurückkommen sollen. Dort angekommen gibt es erstmal wieder Würste, die allgemeine Stimmung ist gut, denn es wird eine Fleischverteilung geben und die Jagd 2023 war erfolgreich. Das Kalb wird nicht mehr weiter gesucht. Die anderen umliegenden Vereine, deren Jagdtage ebenfalls im Lauf der Woche stattfinden, sind darüber informiert und können weiter nach ihm Ausschau halten. Das „eiserne Pferd“ wird vom Anhänger gefahren, ein sehr geländegängiges und starkes Gefährt mit Ketten statt Reifen, das den geschossenen Elchbullen aus dem Wald zieht.

Auf ungefähr drei Jahre wird er geschätzt (bei Elchen kann man das Alter nicht wie bei Rotwild von der Anzahl der Geweihspitzen ableiten, sondern eher wie bei Pferden am Zustand der Zähne). An der Hütte wird er geöffnet, an den Hinterbeinen aufgehängt, dann gehäutet und ausgeweidet. Für 50 Kronen in die Vereinskasse dürfen wir in Absprache mit dem Jagdleiter und dem Schützen des Tieres das Herz wieder erstehen und freuen uns sehr darüber. Es wiegt etwas mehr als zwei Kilo und wird uns einige leckere und sehr gesunde Mahlzeiten liefern.

Für den Maßstab: Das ist ein gewöhnliches Schneidebrett von 27×36 cm.

Die restlichen Innereien teilen die Hundebesitzer untereinander auf und was ganz am Ende übrig bleibt wird für andere Tiere in den Wald zurückgefahren. Das Fleisch soll diesmal einige Tage länger vor der Zerlegung abhängen, daher wird dieser Termin für Samstag Vormittag festgesetzt und das Abschlussfest soll anschließend am Abend stattfinden.

Fazit: Die Elchjagd 2023 war, wie auch die letzten beiden Jahre, ein echtes Highlight. Sich eineinhalb Tage lang bei Eiseskälte und (bisher immer) Sonnenschein per Kompass einen Pfad querfeldein durch unwegsame Natur zu suchen und zwischendurch am Lagerfeuer die Wärme und die Gesellschaft der Gruppe zu genießen, ist einfach unbeschreiblich schön. So viele von ihnen sieht man nur dieses eine Mal im Jahr und alle sind wirklich unglaublich nett. Dass der Vorbesitzer unserer Hütten ein Jagdprüfer und Mitglied in diesem Verein war, und dass zwei sehr liebe Mitglieder gleich in den ersten Tagen damals nach unserem Einzug 2021 bei uns in der Einfahrt standen und uns dazu eingeladen haben, waren mit die besten Fügungen unseres gesamten Lebens in Schweden – der erste Platz hierbei wäre die Möglichkeit zum Kauf des Hauses nur 500 Meter vom ersten Grundstück entfernt.

Schreibt uns gerne bei weiteren Fragen zur Jagd, wir freuen uns über den Austausch!

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