106) Der Strom in Schweden

Ein Gastbeitrag von Jost.

Seine weiteren Artikel:

Die Energiekrise ist auch hier in Schweden ein großes Thema. Dieses Thema wird zwar nicht so reißerisch aufgebauscht, wie das in Deutschland teilweise der Fall ist, aber es trifft und betrifft die Menschen hier dennoch. Alle Parteien hatten bei der kürzlich durchgeführten Wahl die Energiesituation Schwedens auf der Agenda. Bis politisch allerdings beschlossen wird, was konkret passieren kann, wird noch etwas Zeit vergehen.

Was den Strom angeht, ist Schweden als Ganzes weniger von fossilen Energieträgern abhängig, als Deutschland. Schaut man sich Schweden im Detail an, ist das regional unterschiedlich. Es gibt hier vier Strompreiszonen, grob von Norden nach Süden gestaffelt. Das, worüber kürzlich einige Bundesländer in Deutschland diskutiert haben, ist hier also bereits vorhanden (allerdings gibt es hier Gedanken, ob man die Aufteilung nicht cleverer gestalten könnte, zum Beispiel mit eigenen Zonen für die Großstädte).
Ganz im Norden ist der Strom am billigsten, dort wird er direkt vor Ort produziert, zum Großteil aus Wasser und Wind. Nach Süden hin wird der Strom dann immer teurer. Im Süden von Schweden wohnen die meisten Menschen, der Weg des Stroms, der aus dem Norden transportiert werden muss, ist am weitesten, und der Anteil an erneuerbaren Energien vor Ort ist am geringsten. Außerdem ist Schweden ein Strom-Netto-Exporteur (einer der wenigen in Europa). Wie der eine oder andere in Deutschland vielleicht mitbekommen hat, sind einige Schweden nicht so erfreut darüber, dass die Energiekrise in Deutschland auch so stark nach Schweden überschwappt, weil Deutschland, nach hiesiger Meinung, selbst Schuld ist, dass sie sich so schlecht aufgestellt haben. Aufgrund zahlreicher Verflechtungen muss Schweden jedenfalls auch an Deutschland Strom liefern.
Wir selbst sind in Stromgebiet 3 lokalisiert, von Norden nach Süden gezählt. In diesem Gebiet sorgen unter anderem auch drei Atomkraftwerke für den Strom.

Von den steigenden Stromkosten bekommen wir persönlich noch nicht viel mit. In Schweden besteht der Strompreis aus zwei Teilen: Erstens hat man einen Netzbetreiber, den man sich nicht aussuchen kann. Dort zahlt man eine Monatsgebühr und auch einen kleinen Abschlag pro Kilowattstunde. Zweitens kann man sich einen Stromlieferanten aussuchen, bei dem man dann pro Kilowattstunde für den Strom zahlt. Hier kann man auch langfristige, preisgebundene Verträge abschließen. Das haben wir zumindest bis zum Herbst nächsten Jahres getan. Es kann natürlich immer noch passieren, dass auch der Netzbetreiber die Preise etwas erhöht. Das würde den Gesamt-Strompreis dann aber nicht allzu stark erhöhen. Somit sind wir erst einmal froh, einen günstigen Strompreis zu haben, und hoffen, dass sich die Lage in einem Jahr zumindest ein bisschen erholt hat. Wir rechnen aber damit, dass wir dennoch erheblich mehr zahlen müssen. Das kommt dann aber nicht kurzfristig und als Schock, sondern wir können damit planen und vorsorgen.

Eine Besonderheit in Schweden ist übrigens, dass ein großer Anteil der Bevölkerung keinen festen Stromvertrag hat, also keinen, der preisgebunden ist. Uns war das zunächst auch einmal fremd. Konkret bedeutet das, dass diese Leute jeden Monat einen anderen Strompreis haben, je nach Wetter, also Produktionsmenge, und Strombörsen-Situation. Ich vermute, dass sich das aus Bequemlichkeit eingeschlichen hat. Strom war in Schweden immer extrem billig. Der Preis, den wir zahlen, ist schon ein gutes Stück günstiger, als in Deutschland. Aber für Schweden war dieser Preis (der ja vor einem Jahr galt, als wir den Vertrag geschlossen haben) schon hoch. Im letzten Jahr war der Strommarkt extrem volatil. In Schweden gab es innerhalb eines Jahres den günstigsten Strompreis aller Zeiten, und dann im Winter den teuersten Strompreis aller Zeiten. Schon zu dem Zeitpunkt, also vor der aktuellen Krise, wurden viele hier davon überrascht und es gab staatliche Unterstützungen. Diejenigen, die aktuell immer noch keinen festen Strompreis haben, zahlen jetzt einen teils um mehrere 100% höheren Preis, als sie es gewohnt sind.

Unser Stromverbrauch hier in unserem Haus ist relativ gering. Im Schnitt haben wir seit Einzug Anfang Februar etwa 5,5 Kilowattstunden pro Tag verbraucht. Für uns selbst wäre es sogar wohl noch etwas weniger gewesen. Allerdings haben wir für unsere Gäste in den Hütten Handtücher und Bettwäsche hier gewaschen und getrocknet, das waren schon einige Waschladungen voll in den drei Monaten, in denen zahlreiche Gäste hier waren. Wir werden das vermutlich in der kommenden Saison nur noch gegen einen kleinen Aufpreis anbieten.

In den Hütten kann ich unseren Verbrauch nicht wirklich beziffern. Er liegt erheblich höher, weil alle vier Räume mit Strom geheizt werden. Als wir im letzten Winter dort gewohnt haben, hatten wir einen Tagesverbrauch von bis zu 40 Kilowattstunden. In diesem Winter werden wir die Thermostate nur auf 5 Grad laufen haben, damit die Hütten nicht einfrieren. Wie viel Strom dann verbraucht wird, kommt auch auf das Wetter an.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, wie gut Schweden auch bezüglich Strom digital funktioniert. Die Stromrechnungen sind bequem online einsehbar, der Verbrauch auch detailliert nachvollziehbar. Gibt es einmal Stromausfälle (wir hatten letztens einen kleinen für 2 oder 3 Minuten, es war in der Nähe irgendwo ein Blitzeinschlag), wird umgehend per SMS eine Nachricht versendet mit weiteren Informationen. Die aktuelle Lage ist auch in solchen Situationen online einsehbar.

Das haben wir in Schweden insgesamt sehr zu schätzen gelernt: Online-Dienste sind funktional und bequem flächendeckend nutzbar. Überall Glasfaser und mobiles Internet. Behördengänge online? Normal. Die Digitalisierung, die in Deutschland seit Jahrzehnten vor allem aus Wahlversprechen und leeren Worthülsen (Cyber-dies und Cyber-das) besteht, hat hier längst stattgefunden.

Als Worst-Case-Szenario wird hier diskutiert, ob es im Winter regional zu Spitzenverbrauchszeiten zu kontrollierten Abschaltungen kommen könnte. Dabei geht es wohl um Zeiträume von 2-3 Stunden, und es würde, so die theoretische Planung, dann auch rotiert werden. So müssten nicht die selben Haushalte mehrmals hintereinander abgeschaltet werden. Natürlich wäre das nicht toll, aber mir ist nicht bange davor. Für Kühl- oder Gefrierschrank sind solche Zeiträume kein großes Problem. Die Information über die Abschaltung käme immer am Tag zuvor, weil auch der Strom an der Börse jeweils für den Folgetag gehandelt wird. Wegen der guten digitalen Informationspolitik, siehe oben, mache ich mir auch keine Sorgen, dass wir die Information über eine Abschaltung nicht im Voraus mitbekommen würden. Vorerst bleibe ich aber optimistisch und gehe davon aus, dass so etwas gar nicht erst passieren wird.

4 Kommentare zu „106) Der Strom in Schweden

  1. Das klingt spannend! Wie seht ihr die Sache mit dem Atomstrom? Ist es für euch bzw. die Schweden ein Problem, Atomkraftwerke im eigenen Land zu haben? Wie ist da die Stimmung?

    1. Das ist eine gute Frage, wie die Schweden das sehen – das Thema haben wir bisher noch nicht aktiv verfolgt. Mir persönlich (Jost) macht es kein Unbehagen, auch wenn ich diese Form der Energiegewinnung durchaus kritisch sehe.

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